Die Kunst des Schneiderns im Wandel der Zeit

Von Nadel, Faden und Visionen: Wie das Schneiderhandwerk neu aufblüht

Quelle: Jana Bilmann, THWS / Auswahl an Fäden zum Verkauf in der Glücksschneiderei

Das Schneiderhandwerk ist mehr als Nähen – es ist die Kunst, Persönlichkeiten in Stoff zu fassen. Friedrun Schlagbauer beweist, wie viel Leidenschaft, Präzision und Kreativität hinter jedem handgefertigten Kleidungsstück stecken. Ein Blick in eine Kunst, die Stoffe lebendig und Menschen glücklich macht.

Ein Beruf mit Kindheitserinnerungen

Schon früh entdeckte Friedrun Schlagbauer ihre Liebe zum Nähen: „Ich habe schon immer genäht. Als Kind habe ich aus den Stoffresten meiner Mutter Kleider für meine Puppen gemacht.“ Nachdem sie ihr Abitur absolvierte, machte sie die Lehre zur Herrenschneiderin, ein Handwerk, das bis heute einen besonderen Platz in ihrem Herzen hat. 2004 legte sie die Meisterprüfung ab. Seit 2019 führt sie nun ihre Glücksschneiderei in Höchberg, die auf Brautmode, Maßanfertigungen und Änderungen spezialisiert ist. Inzwischen arbeitet sie seit über dreißig Jahren als Schneiderin.

„Wir haben das schönste Handwerk überhaupt“, schwärmt sie. Der Alltag als Schneidermeisterin ist vielseitig: Von Kundenberatung über Anpassungen bis hin zu kreativen Herausforderungen, wie das Umarbeiten von Brautkleidern, die noch nicht richtig sitzen. Großen Wert legt Schlagbauer dabei auf die persönliche Beziehung zu den Kunden. Einer der schönsten Momente ihres Berufs ist, „wenn die Augen strahlen, wenn das Kleid abgeholt wird“, sagt die gelernte Herrenschneiderin mit einem Lächeln.

Quelle: Jana Bilmann, THWS / Impressionen der Glücksschneiderei
Herausforderungen eines traditionellen Berufs

Die Nachfrage nach Maßarbeit und Anpassungen alter Kleidungsstücke wächst stetig und somit auch die Arbeit der Schneidereien. Trotzdem gibt es immer weniger Schneidermeister und Ausbildungsbetriebe. Schlagbauer sieht hier eine Herausforderung: „Die Auszubildenden suchen händeringend Ausbildungsbetriebe“. Das Problem liegt darin, dass immer weniger Schneiderbetriebe die finanziellen Kapazitäten haben, Lehrlingen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Zu der geringen Zahl an neuen Schneidern kommt eine oft fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit hinzu. Viele Kunden verstehen nicht, wie aufwendig selbst kleine Änderungen sind. „Einen Reißverschluss an der Hose zu wechseln ist keine Arbeit von zwei Minuten und auch keine Arbeit von zehn Minuten, das dauert 20 bis 30 Minuten und die Kosten des Reißverschlusses kommen auch noch dazu.“ 

Tradition und Moderne im Schneiderhandwerk

Das Schneiderhandwerk verbindet Tradition mit den Anforderungen der modernen Welt. Klassische Methoden, wie handgestochene Knopflöcher werden immer noch häufig genutzt. „Es ist für mich eine Ehrensache, dass ich handgestochene Knöpfe machen kann“, sagt die Schneidermeisterin. Insbesondere im Herrenbereich legt sie großen Wert darauf, weiterhin traditionell mit der Hand zu arbeiten und größtenteils auf maschinelle Arbeit zu verzichten. Einer guten Anpassungsfähigkeit an die heutige Zeit bedarf es jedoch trotzdem, vor allem hinsichtlich der Stoffe. Diese haben sich im Laufe der Zeit stark verändert, genauso deren Verarbeitungsweisen. Früher arbeitete man mit schweren und festen Stoffen, nun werden diese immer dünner. Das sieht Schlagbauer zusätzlich als Herausforderung, denn für Schneider wird es immer schwieriger, qualitativ hochwertiges Material zu erwerben. Die gelernte Herrenschneiderin betont aber auch, dass es essenziell ist sich in ihrem Berufsfeld dem Zeitalter anzupassen, indem man jederzeit offen ist, Neues kennenzulernen und auszuprobieren.

Von Elena Fleischmann