Zeitenwende in der Backstube

„Weiter, immer weiter und nie stehen bleiben!“ – Ein Bäcker formt sein Handwerk neu

Quelle: Philin Frerichs, THWS / Die Bäckerei Düll produziert parallel Brote für mehrere Tage

Der Duft von frischem Brot liegt in der Luft, als ich die besondere Bäckerei von Sebastian Düll betrete. Vor drei Jahren hat er den Betrieb in der Theaterstraße in Würzburg mit klaren Prinzipien gegründet: das traditionelle Bäckerhandwerk neu definieren und dabei sowohl der Kundschaft als auch den Mitarbeitenden ein Stück mehr Genuss im Alltag ermöglichen.

Ein Beruf voller Vielfalt und Herausforderungen

 „Vielfältig und herausfordernd“, antwortet Sebastian Düll ohne zu zögern auf die Frage, welche drei Worte seinen Beruf am besten beschreiben. Doch das dritte Wort lässt ihn kurz überlegen, bevor er ergänzt: „Coole Arbeitszeiten“ und lacht. Er erklärt, dass bei ihm niemand nachts arbeiten müsse. Ein bewusstes Umdenken, inspiriert von seinen Erfahrungen: „Ich war im In- und Ausland und habe da sehr viel Schlechtes und wenig Gutes gesehen, ob es die Menschenführung oder die Produktqualität war.“ Seine Vision ist klar: Das Schlechte besser machen, das Gute noch perfektionieren. Die Konzentration auf Brot statt Kleingebäck ermöglicht spätere Öffnungszeiten, da der Bedarf bei der Kundschaft erst später am Tag auftrete. Er fügt stolz hinzu: „Unser Brot kann man über mehrere Tage problemlos essen. Kaufe ich es heute und esse es erst morgen, dann ist das kein Problem.“

Quelle: Philin Frerichs, THWS / Die frischen Brote, bereit für den Verkauf
Werte, Trends und die Realität des Marktes

Das Bäckerhandwerk steht vor großen Herausforderungen. Nach dem Bio-Boom der letzten Jahre hat die Inflation den Markt verändert. Seitdem achten die Menschen wieder weniger auf gute Qualität. „Den allermeisten Verbrauchern ist es letztendlich egal, was er oder sie isst“, sagt Herr Düll mit Bedauern. Daher greifen immer mehr Menschen zum billigen Discounter-Brot – „Schleuderware“ nennt Düll die Konkurrenz aus dem Discounter. Auch Trends sieht er kritisch: „Es wird irgendetwas von irgendjemandem verbreitet und jeder und jede läuft dem hinterher“, bemängelt Düll. Für ihn gilt: „Das Klassische, aber dafür sehr, sehr gut gemachte ist besser, als irgendwelche Trends, die wieder verfliegen.“ Seine gläserne Backstube unterstreicht diese Philosophie: Hier kann jeder Gast sehen, wie die Brote entstehen – ein Statement für Transparenz und echtes Handwerk. 

Planung und Leidenschaft – das Herzstück des Erfolgs

Des Weiteren erfahre ich von dem jungen Bäcker, dass sein Handwerk nicht nur aus der Herstellung der Backwaren besteht, sondern bereits viel früher beginnt. In der Düll Bäckerei fängt die Planung drei Tage im Voraus an. Das liege an den langen Reife- und Ruhezeiten, welche zwischen 24 und 48 Stunden betragen. Während klassische Bäckereien heute für morgen arbeiten, produziert Dülls Team parallel für mehrere Tage. Sieben Brotsorten stehen täglich im Angebot – sechs fest im Sortiment, die siebte variiert. Dazu kommen saisonale Highlights: „Jetzt zu Weihnachten machen wir ja auch Stollen, den haben wir dann auch täglich im Sortiment“, berichtet er.

Das Geheimrezept zum Erfolg in der Backstube

Doch neben Planung zähle vor allem Leidenschaft. „Der wichtigste Aspekt in jedem Beruf ist die Leidenschaft, für das, was man macht“, betont Herr Düll. Handwerkliches Geschick, Anpassungsfähigkeit und die Bereitschaft, ständig dazuzulernen, seien ebenso unverzichtbar. „Es kommt ganz viel, ganz schnell. Es sind zwar viele wiederkehrende Arbeiten, die man macht. Aber jeden Tag aufs Neue ist das Mehl oder der Teig anders, oder der Backofen hat 20 Grad mehr Oberhitze“, erklärt er. Trotz seiner jahrelangen Erfahrung bleibt er lernhungrig: „Ich habe auch noch nicht ausgelernt. Ich lerne jeden Tag aufs Neue etwas dazu.“ Sein Motto „Weiter, immer weiter und nie stehen bleiben!“ ist daher nicht nur ein Credo für den Beruf, sondern eine Lebensphilosophie. Für ihn ist das Lob der Kundschaft daher nicht nur Anerkennung, sondern zugleich Ansporn: „Dass es beim nächsten und übernächsten Mal, wenn er oder sie vorbeikommt, immer noch genauso gut ist.“

Von Pauline Runde